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Pressemitteilung vom 30.07.2025: Solingen-Prozess: Urteil gesprochen – doch zentrale Fragen bleiben unbeantwortet

Pressemitteilung der OBR vom 30.10.2025 zum Prozess zum Brandanschlag in Solingen 2025

Urteil gesprochen – doch zentrale Fragen bleiben unbeantwortet

Solingen-Prozess: Urteil gesprochen – doch zentrale Fragen bleiben unbeantwortet

Opferberatung Rheinland: „Dieses Urteil bringt keinen Abschluss – es hinterlässt offene Wunden und tiefes Misstrauen.“

Am heutigen Mittwoch wurde das Urteil im Verfahren zum tödlichen Brandanschlag in Solingen 2024 verkündet. Der Täter wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Die zentrale Frage nach dem Tatmotiv jedoch – insbesondere dem möglichen rassistischen Hintergrund – bleibt unbeantwortet.

Belastung für Betroffene – und eine bittere Leerstelle im Urteil
Vier Menschen starben bei dem Brandanschlag, mehrere weitere wurden schwer verletzt, darunter eine Familie mit einem Säugling. Viele der Hinterbliebenen sind eigens zur Urteilsverkündung aus dem Ausland angereist – in der Hoffnung auf Klarheit, Anerkennung und Gerechtigkeit. Doch die bleibt aus.
Im Prozessverlauf wurde deutlich: Die Ermittlungsbehörden haben zentrale Spuren nicht verfolgt. Digitale Beweismittel wurden monatelang nicht ausgewertet, rechtsextreme Inhalte nicht als relevant bewertet oder nicht dem Täter zugeordnet. Das Urteil spiegelt diese Lücken wider.

„Für viele Betroffene ist dieses Urteil kein Abschluss – sondern der Beginn eines langen inneren Konflikts mit dem, was offenbleibt“, sagt Jan-Robert Hildebrand von der Opferberatung Rheinland.
„Die Frage nach dem Warum bleibt unbeantwortet. Und das schmerzt – emotional, politisch und existenziell.“

Strukturelle Ermittlungsfehler: Zweifel statt Aufklärung
Während der psychiatrischen Begutachtung wurde das Tatverhalten des Angeklagten als Ausdruck persönlicher Konfliktverarbeitung eingeordnet. Hinweise auf mögliche politische Motive wurden nicht als belastbar gewertet – zum Teil auch deshalb, weil Ermittlungen dazu zu spät und zu lückenhaft erfolgten.

„Wäre frühzeitig, umfassend und sensibel ermittelt worden, hätten zentrale Fragen vielleicht beantwortet werden können. So bleiben Zweifel. Und die wiegen für Betroffene schwer“, so Sabrina Hosono, Bildungs- und Öffentlichkeitsreferentin der Opferberatung Rheinland.
„Wer eine rassistische Motivation nicht einmal prüft, kann sie auch nicht ausschließen – und verliert das Vertrauen derer, die betroffen sind.“

Spendenkampagne: Unterstützung dringend notwendig
Der Prozess war für die Familien eine enorme emotionale, organisatorische und finanzielle Belastung – und sie endet nicht mit dem Urteil. Viele Hilfs- und Entschädigungsleistungen sind an die Anerkennung des Tatmotivs geknüpft.

Die Opferberatung Rheinland ruft daher weiterhin zur Unterstützung über die Spendenkampagne auf: www.goodcrowd.org/solingen-2024

Die Spenden fließen direkt in die medizinische, juristische und psychosoziale Unterstützung der Betroffenen.

Ein Urteil ohne Aufarbeitung – ein Staat, der sein Schutzversprechen nicht einlöst
Die mangelhafte Aufklärung und der Umgang mit Hinweisen auf ein mögliches rassistisches Tatmotiv lassen grundlegende Fragen offen – nicht nur für die Betroffenen dieses Falls.
Wenn politische Tatmotive durch lückenhafte Ermittlungen strukturell entpolitisiert werden, beschädigt das das Vertrauen in die Institutionen, die eigentlich Schutz versprechen sollen.

„Dieses Urteil zeigt nicht nur ein individuelles, sondern ein institutionelles Versagen. Die Frage ist nicht, ob die Tat rassistisch war – sondern, warum der Staat nicht alles getan hat, um diese Frage sicher beantworten zu können.“

 

Kontakt für Rückfragen, Interviews & Hintergrundinfos:
Jan-Robert Hildebrand
Berater im Fall
Mobil: 0178 / 157 00 47

Sabrina Hosono
Bildungs- und Öffentlichkeitsreferentin
E-Mail: presse@opferberatung-rheinland.de