Informationsmaterial

Pressemitteilung von OBR und BackUp: Rechte Gewalt in NRW bleibt trotz Pandemie auf hohem Niveau

Im vergangenen Jahr wurden in Nordrhein-Westfalen (NRW) 198 rechte Gewalttaten gegen mindestens 267 direkt betroffene Menschen verübt, darunter auch Kinder und Jugendliche. Dies ist das Ergebnis der Jahresstatistik 2020 von Opferberatung Rheinland (OBR) und BackUp, den beiden Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer, antisemitischer und anderer menschenfeindlich motivierter (kurz: rechter) Gewalt in NRW.

Trotz Shutdown und Social Distancing verzeichnen die Beratungsstellen in ihrem Monitoring für das Jahr 2020 ein nahezu unverändert hohes Niveau rechter Gewalttaten (Rückgang um nur 2 Prozent). Rassistisch motivierte Gewalt nimmt weiter zu, die Anzahl rechter Angriffe gegen politische Gegner*innen bleibt hoch. Doppelt so viele Angriffe gab es jeweils im Umfeld von Demonstrationen und auf Journalist*innen. Eine versuchte Tötung, 166 Körperverletzungsdelikte (davon mindestens 47 gefährliche) und 22 massive Bedrohungen wurden registriert.

Unverkennbar sind Kontinuitäten trotz der Ausnahmesituation: Rassistische Gewalt bleibt ein schwerwiegendes Problem in NRW. 2020 war Rassismus weiterhin das mit großem Abstand häufigste Tatmotiv – bei steigender Tendenz. 138 der insgesamt 198 Taten (69 Prozent) wurden aus rassistischen Motiven heraus begangen. Die verschiedenen Formen rassistischer Gewalt zeigen sich in Angriffen gegen geflüchtete Personen (23), Sinti*zze und Rom*nja (8), in Form von anti-Schwarzem Rassismus (27) sowie antimuslimischem Rassismus (18). Weiterhin gilt: Die überwiegende Mehrheit der dokumentierten Angriffe auf Kinder (86 Prozent) und Jugendliche (80 Prozent) war rassistisch motiviert.

Den Beratungsstellen werden immer mehr Angriffe im direkten Wohnumfeld bekannt. Dieser Trend zeigte sich schon in den Vorjahren. Seit 2017 hat hier nahezu eine Verzehnfachung stattgefunden – mit 19 Angriffen im Jahr 2020. Pandemie-Bedingungen und die Verlagerung des Alltags vieler Menschen in den privaten Nahbereich haben die Folgen für Betroffene noch einmal verstärkt. „Nicht nur während einer Pandemie erfüllt der persönliche Wohnraum häufig eine besondere Schutz- und Rückzugsfunktion“, so Birgit Rheims (OBR). „Wenn dieser sensible Ort aber Ziel von Angriffen wird, kann das Sicherheitsgefühl im eigenen Zuhause massiv erschüttert werden und bei den Betroffenen zu einem chronisch hohen Stresslevel mit gravierenden gesundheitlichen Folgen führen.“

2020 wurden 13 Angriffe im Umfeld von Demonstrationen verübt, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Die meisten dieser Angriffe fanden im Zusammenhang mit Protesten gegen staatliche Corona-Schutzmaßnahmen statt, viele der Betroffenen waren Medienvertreter*innen. „Es ist besorgniserregend, wie viele Journalist*innen 2020 angegriffen wurden. Wir brauchen kritische Berichterstattung, auch auf Demonstrationen, um beispielsweise antisemitische Einstellungen sichtbarer zu machen“, sagt Sabrina Carrasco Heiermann (BackUp).

Bisher überhörte Forderungen werden weiter aufrechterhalten: „Für die Bekämpfung rechter Gewalt ist es aus Sicht der Beratungsstellen unumgänglich, die Forderungen und Perspektiven von Betroffenen aus der Peripherie ins Zentrum der Debatte zu rücken“, so Birgit Rheims und Sabrina Carrasco Heiermann. „Nach Black Lives Matter und Hanau bleibt auch 2021 der Ruf nach Sicherheitsbehörden, die über Wissen und Sensibilität im Kontext verschiedener Ungleichwertigkeitsvorstellungen in unserer Gesellschaft verfügen und denen Betroffene rechter Gewalt vertrauen können.“